Vom Modell zur Bronze

Vom Modell zur Bronze #1 Die Entscheidung

8. Juli 2016

Immer wieder werde ich gefragt, wie aus meinen Figuren, die ich im Atelier aus verschiedensten Materialien modelliert habe, Bronzeskulpturen entstehen. Deshalb möchte ich hier einmal so eine Heldenreise einer Figur beschreiben und ihren Weg aus dem Atelier, durch die Gießerei bis zur Montage am Aufstellungsort verfolgen. Und zwar am Beispiel des Hockenden. Er wird in den nächsten Wochen in der Kunstgießerei Flierl abgeformt und im Wachsausschmelzverfahren gegossen. Vereinfacht gesagt durchläuft die Figur dabei fünf Stadien.

Modell  – Silikonform – Wachsmodell – Schamottform – Bronzeskulptur

Vom Modell (positiv) wird eine Silkonnegativform hergestellt. Sie wird mit Wachs ausgestrichen, bzw. gefüllt, um ein Wachsmodell (positiv) der Figur herzustellen. Die Wachsfigur wird einschamottiert und ausgeschmolzen, so dass im Schamott wieder eine Negativform entsteht. Sie wird schließlich mit Bronze ausgegossen und man erhält die Bronzefigur.

Eva, Bronze

Fingerabdruck auf der Bronze

Obwohl die Figur in diesem Prozess also insgesamt vier Mal abgeformt wird, erhält man einen ungeheuer präzisen Bronzeabguss, der die feinsten Nuancen des Modells wiedergibt. Ich war wirklich erstaunt, als ich das erste Mal Fingerabdrücke auf einem Bronzeabguss gesehen habe, die ich beim Modellieren im Ton des Modells hinterlassen hatte. Man könnte also meinen, dass die Figur ganz genau eins zu eins wiedergegeben wird. Das stimmt aber eben leider nur für die Form der Figur und nicht für alle anderen Aspekte, die für unsere Wahrnehmung eine Rolle spielen. Daher überlege ich genau, was es für eine Figur bedeutet, wenn ich sie in Bronze gießen lasse.

1. Die Entscheidung

Bevor ich eine Figur einpacke und mit ihr in die Gießerei fahre, steht zunächst die wichtigste Entscheidung in dem ganzen Prozess an. Sollte die Figur überhaupt gegossen werden? Macht es aus künstlerischer Sicht überhaupt Sinn? Dabei spielen viele Faktoren zusammen. Der Aufstellungsort, die Dauerhaftigkeit, die Reproduzierbarkeit, natürlich auch die Kosten, aber vor allen die Verschiebung in der Ausstrahlung, der Wirkung und der Bedeutung der Skulptur. Ich benutze verschiedenste Materialien, um Skulpturen zu modellieren und kombiniere sie gnadenlos. Alles dient dem Ausdruck, der Lebendigkeit und dem Geist, der den Figuren dann innewohnt. Das Material spielt also eine große Rolle, es bringt eine eigene Haptik, Fragilität und auch eine bestimmte Farbigkeit mit sich.

Die Oberflächenbeschaffenheit und das Farbspektrum des Materials sind für mich wesentliche Bestandteile der Figur. Es ist eine besondere Herausforderung, diese Offenheit und Transparenz in Bronze zu übertragen. Dabei kann es nicht darum gehen, die ursprüngliche Figur in Bronze zu imitieren. Bronze ist eben etwas anderes als Papier, Wachs, Ton, Plastilin, oder die vielen neuen sculpting-materials, wie Miliput, Greenstuff, CX5, Apoxie etc. Obwohl die Figur, wie erwähnt äußerst genau abgeformt werden kann, wird durch den Prozess und den Guss etwas ganz Neues entstehen.

Ich frage mich also erstens, ob die Figur wirklich schon fertig ist, ob sie besteht, ob sie soweit ist, in Bronze gegossen und damit sozusagen verewigt zu werden. Nicht selten haben die Figuren dann schon Monate, oft Jahre im Atelier, in der Wohnung, im Lager gestanden. Ich habe sie immer wieder angeschaut, manchmal überarbeitet, sie weggestellt, wieder hervorgeholt, mit ihnen gelebt. Wenn sie nach Jahren immer noch bestehen, ich nicht das Bedürfnis habe, sie wieder auf den Modellierbock zu stellen und zu überarbeiten, wenn sie immer noch lebendig sind, ist schon ein großer Schritt getan.

Erst dann stellt sich die Frage, ob ein Bronzeguss wirklich etwas Neues hervorbringen kann, das über die ursprüngliche Figur hinausgeht. Ob die Figur nicht in dem ursprünglichen Material besser und schon endgültig fertig ist. Sollte das der Fall sein, darf sie nicht gegossen werden. Selbst wenn sie fragil ist, kaum transportiert, geschweige denn verkauft werden kann.

Adam Modell, Gips/Ton/Wachs/Zellulose

Adam, Bronze

Zur rein physischen Haltbarkeit kommt auch die Festigkeit, die die Figur dann ausstrahlen wird. Das kann erwünscht sein, aber auch abträglich. Letztendlich ist es für mich wichtig, mit der Figur zusammen zu entscheiden. Der Adam etwa war von Anfang an als Bronzeskulptur angelegt. Als ich mich entschieden hatte, ihn zunächst nicht in Bronze zu gießen, ist er aus Protest vom Modellierbock gekippt und zerbrochen. Ich habe ihn wieder zusammengesetzt und dadurch hat er erst seine endgültige Form bekommen, die ich dann in Bronze gießen ließ.

Sobald entschieden ist, dass eine Figur gegossen werden soll, passiert noch etwas Seltsames. Sie ist plötzlich keine eigenständige Skulptur mehr, sondern mutiert zu einem Modell. Ein Modell, das zur Abformvorlage für die spätere Bronzeskulptur wird. Das Modell wird während des Prozesses in vielen Fällen zerstört. Eine zerbrechliche Figur wird man nicht unbeschädigt aus der Silikonform lösen können. Das ist bei meinen Skulpturen, die oft aus verschiedensten Materialien geformt sind, fast immer der Fall. Es ist eine Art „Stirb und Werde“. Die ursprüngliche zerbrechliche Figur stirbt im Abformprozess und steht gewissermassen für die Ewigkeit in Bronze gegossen wieder auf. Das ist eine wesentliche künstlerische Entscheidung, weil es in jedem Fall einen Bedeutungswandel mit sich bringt.

Die Mönche haben sich aus diesem Grund einem Guss energisch und erfolgreich widersetzt.

Der Hockende hat sozusagen danach verlangt.

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